Die Lowlands-Region Borders ist die südöstlichste Ecke von Schottland und betitelt sich selbst als "Vergessenes Land". Schottland verband man im Ausland tatsächlich viel zu lange lediglich mit dem Land nördlich von Edinburgh und Glasgow, dem Hochland sowie den Inseln. Damit tat man aber diesem „vergessenen Fleckchen Erde" Unrecht. Zugegeben, die Landschaft der Borders hat nur wenig Spektakuläres zu bieten, dafür kommt jeder, der sich für die Geschichte und die Kultur Schottlands interessiert, voll auf seine Kosten.
Die Region entstand zwar erst 1975 durch eine Gebietsreform, doch die Cheviot Hills und der River Tweed bilden schon seit Menschengedenken die natürliche Grenze zwischen Schottland und England. Über viele Jahrhunderte hinweg waren die Borders ein erbittert umkämpfter Landstrich, sodass es nicht verwundert, dass auch heute noch nur drei Routen für die Fahrt gen Norden genutzt werden.
Es gab übrigens Zeiten, in denen man froh gewesen wäre, wenn Reisende die Borders eilig wieder verlassen hätten. In der Antike versuchten die Römer dort Fuß zu fassen. Sie gelangten 80 n. Chr. bis in die Nähe von Melrose, wo sie den Außenposten Trimontium errichteten. Allerdings waren die ansonsten ruhmreichen römischen Soldaten bei ihren hiesigen Bemühungen wenig erfolgreich. Dies führte dazu, dass der römische Feldherr Hadrian einen Befestigungswall, den sogenannten Hadrian's Wall, gegen die unbeugsamen barbarischen Schotten bauen ließ.
Wenn in späteren Jahrhunderten die englische Krone die Absicht hegte, einen Krieg gegen die Schotten zu führen, waren die Borders an vorderster Stelle betroffen, denn die englischen Truppen mussten in Richtung Norden zwangsläufig durch diese Region marschieren. Ihr bevorzugter Siedlungsraum waren das fruchtbare Acker- und Weideland des Landstriches.
In der ersten Hälfte des 12. Jh. gründete David I, Sohn von Malcolm Canmore, mit jeweils einer anderen Ordensgemeinschaft in Kelso, Melrose, Jedburgh und Dryburgh Klöster, die gemessen an ihrer Größe ungewöhnlich nahe beieinanderliegen. King David I handelte dabei nicht nur aus religiöser Überzeugung, sondern auch aus politischer Überlegung. In der damaligen Zeit spielten die Klöster, außer als geistige Zentren, auch eine äußerst wichtige Rolle im wirtschaftlichen und kulturellen Leben, denn die Klostermauern boten Einheimischen sowie Reisenden Unterkunft und Schutz.
In der Folge waren es vor allem Mönche, die die südöstlichen Lowlands prägten. Sie führten neue, revolutionäre Techniken der Wollverarbeitung ein, die die althergebrachten bäuerlichen Verfahren in den Schatten stellten. Somit waren im Mittelalter die vier schottischen Grenzklöster ein beliebtes Angriffsziel der Engländer mit der Absicht, die Schotten am wirtschaftlichen Nerv zu treffen. Der zunehmende Wohlstand der Gegend animierte allerdings auch immer mehr Highlander zu Beutezügen in den Lowlands.
Die Borders besitzen nur einen relativ kleinen Anteil an der schottischen Küste zwischen der Provinz Lothian und England. Der Zugang zur Nordsee erstreckt sich über eine Breite von lediglich etwa 35 km. Zwischen Cockburnspath an der Grenze zu Lothian und Burnmouth nördlich von Berwick-Upon-Tweed führt eine ausgeschilderte Route zu zwei sehr schönen Fischerorten, Eyemouth und St Abbs.
Dramatisch ist die Nordseeküste um St Abb's Head, wo sie steil zum Meer hin abfällt - die Gegend ist zum Naturschutzgebiet erklärt worden. Dieser Küstenstreifen an der Nordsee zählt zu den schönsten Tauchgründen Schottlands.
Die Ausdehnung der Borders entspricht dem weiträumigen Zuflussgebiet des River Tweed. Zwar entspringt der Tweed in der Nachbarprovinz, das übrige Tweed-Tal bildet jedoch das Kernstück der Borders. Drehscheibe für Reisende ist das exakt in der Mitte der Borders gelegene Galashiels. Hügelige Straßen führen durch sattgrüne Weideflächen, auf denen Schafe grasen und durch ausgedehnte Wälder. In den Senken liegen, gut versteckt, malerische Weiher. Über 160 km schlängelt sich der berühmte River Tweed durch die Landschaft. Angler müssen hier bis zu 7.000 Pfund für eine Lizenz zahlen, denn der Tweed gilt mit als der beste schottische Lachsfluss, der Angelfreunde aus aller Welt anzieht.
Fast die Hälfte der Region liegt über 300 m hoch und lädt in der Gegend um Selkirk zu lohnenden Wanderungen ein. Inmitten der von Gletschern abgeschliffenen Kuppen des südwestlichen Hügellandes gibt es eine Vielzahl von Wegen der unterschiedlichsten Schwierigkeitsgrade. Wer nicht auf Wanderungen eingestellt ist, kann am nahegelegenen Loch Skeen - diesmal ohne kostspielige Lizenz - die Angelrute nach den schmackhaften Forellen auswerfen.
Wie in kaum einer anderen Region Schottlands konzentrieren sich in den Borders historische Sehenswürdigkeiten und Schauplätze der bewegten sowie blutigen Herrschaftsgeschichte des Landes. Wegen der ständigen Bedrohung durch die Engländer entwickelte sich die Architektur des befestigten, zweckmäßigen und schlichten Tower House, die man auch im übrigen Schottland übernommen hat. Nach der Vereinigung mit England wurde diese Bauweise abgelöst von ausladenden, luxuriösen Wohnschlössern. Für beide Architekturformen finden sich in den Borders hervorragende Beispiele.
Die Borders sind weniger für eine außergewöhnliche Landschaft bekannt als für zwei Erscheinungen anderer Art, den Schriftsteller Sir Walter Scott und ein Wollgewebe namens Tweed.
Die Romane von Sir Walter Scott spielen an historischen Orten in den Borders, wie der Melrose Abbey oder dem Hermitage Castle. Seine historischen Romane, die flugs in der westlichen Welt berühmt wurden, lösten schon kurz nach dem Tod des Schriftstellers ein regelrechtes Schottlandfieber aus. Das Wohnhaus von Scott in Abbotsford haben seit seinem Berühmtwerden Generationen von Touristen besucht, nicht allein wegen der Person von Scott, sondern wegen der verspielten Architektur seines Heimathauses, des Abbotsford House, das Elemente vieler Epochen in sich vereint.
Stilechte Häuser dagegen sind das Mellerstain House in Kelso, entworfen von William Adam und seinem Sohn Robert - oder das Manderston House bei Duns, dem Geburtsort des mittelalterlichen Philosophen John Duns Scotus, seines Zeichens Franziskanermönch.
Das königliche Traquair House, erbaut im 10. Jh. in der Nähe von Peebles, ist das älteste Haus in Schottland; ein historischer Ort, der viele schottische Monarchen beherbergte.
Südlich des Tweed-Tales befindet sich ein weiteres Tal, dem die Baumwollindustrie ihren Stempel aufgedrückt hat, das Tal des Teviot. Der River Teviot entspringt im Eskdalemuir Forest, östlich von Moffat. Er schlängelt sich auf seinem weiteren Verlauf durch die Städte Hawick und Roxburgh, fließt um das Örtchen Denholm herum und mündet schließlich bei Kelso in den River Tweed.
Hier wurde der Stoff Tweed erfunden, der heute ein weltweit bekannter Qualitätsbegriff ist. Wolle und daraus hergestellte Produkte sind Schottlands ältester Exportartikel. Der Aufstieg der Wollindustrie seit dem 17. Jh. hat den Borders somit auch einen gewissen Wohlstand gebracht, ohne dabei den gemütlichen Kleinstädten ihren Reiz zu nehmen.